- Auszug aus der bei Carl Halbach angegebenen Quelle:
Angeliefert wurden in großer Zahl Hefte oder Schalen und Klingen. Nägel, Nieten und sonstige Kleinigkeiten wurden von uns gekauft. Hefte sind praktisch fertige Messergriffe, Schalen nennt man die Halbgriffe, die zu beiden Seiten auf die Klingen geschlagen werden müssen. Unsere Aufgabe bestand nun darin, aus diesen Einzelteilen ein verkaufsfertiges Messer zu produzieren. Hier geht es nicht um Taschenmesser, sondern um Messer mit Holzgriff, also die edleren Teile der Besteckfertigung, allerdings auch einfache Küchenmesser. Je nachdem, ob man mit Schalen oder Heften arbeitete, musste man unterschiedliche Arbeitsgänge durchführen. Für die Vollständigkeit und Korrektheit der folgenden Beschreibung übernehme ich ausdrücklich keine Gewähr. Ich habe das nur als kleines Kind erlebt, und ich selbst habe mich nur als Besucher im Betrieb aufgehalten.
Hefte wurden zuerst eingeschnitten. Es wurde also eine schlitzartige Öffnung für die Klinge geschaffen, in die diese dann eingeführt wurde. Um Heft und Klinge zusammenzuhalten, wurden sie zusammengenagelt. Dazu wurden Löcher vorgebohrt, der oberste Rand etwas versenkt, damit die Köpfe der Nieten und Nägel hineinpassten und nicht oben herausstanden, und dann wurde genagelt. Vorher mussten die Nägel und Nieten auf die richtige Größe geschnitten werden. Messer mit Schalen musste man nicht einschneiden, weil die Schalen zu beiden Seiten aufgesetzt und dann zusammengenagelt wurden. Diesen Vorgang nennt man das Reiden, und daher die Berufsbezeichnung “Reider”. Wer allerdings glaubt, damit sei das Messer fertig, der täuscht sich. Heft und Klinge werden dann noch bearbeitet. Zunächst wird das Heft gepliestet, geschliffen, damit es sich glatt anfühlt. Dann folgen mehrere Arbeitsgänge, um das noch zu verfeinern: Scheuern, Feinpliesten, und schließlich das Polieren, was den Messern ein besonders schönes Aussehen geben soll. Bei aller Sorgfalt kann es vorkommen, dass die in die Hefte versenkten Nieten und Nägel immer noch einen kleinen Spielraum haben, vor allem oben am Rand. Mit Kitt werden diese feinen Ritzen dann verschlossen, und anschließend entfernt man mit Verdünnung den überflüssigen Kitt wieder. Dann erst sind die Messer fertig und können verpackt werden. Diese letzten Arbeitsschritte haben meine Eltern und meine Geschwister, die natürlich mit in unserem Familienbetrieb arbeiteten, oft zuhause gemacht. Das alles gehört zum sogenannten “Ausmachen”. Reider und Ausmacher nannte sich das Handwerk.
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